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Die Würde des Menschen sei unantastbar, heißt es. Das ist alles ein großer Käse.

Jeden Tag muss sie bluten, die Würde. Wenn eine Frau in nassen Windeln im Pflegebett liegt und nach der Schwester klingelt. Und zum dritten Mal der Pfleger kommt. Und wieder schämt sie sich. Aber die Haut brennt schon, und sie hält es nicht mehr aus.

Natürlich wird die Würde verletzt, wenn Freunde auf dem Schulhof über den Asi und seine No-Name-Sneaker lästern. Wenn die Ehefrau eine fremde Liebes-SMS auf dem Handy ihres Mannes entdeckt. Der steht gerade unter der Dusche. „War eine lange Sitzung heute, Schatz!“ Oh ja, die Würde des Menschen ist verletzlich.

Wäre sie es nicht, dann wäre sie nichts wert. Was sollte ich anfangen mit einer Würde, die wie ein teurer Frack im Schrank hängt? Ich trüge sie doch nur im Glanz politischer Sonntagsreden. Diese Würde wäre politisch korrekt, aber im Alltag völlig bedeutungslos.

Aber gerade da brauche ich sie. Ich brauche eine Würde, die mich nicht im Stich lässt, wenn ich leide. Ich brauche Würde, wenn ich mich um eine neue Stelle bewerbe und peinliche Fragen höre. Ich brauche sie, wenn ich im Krankenhaus liege und alle von oben auf mich herab sehen. Oder auf dem Schulhof, wenn alle lästern, weil Hartz IV für Markenklamotten nicht reicht.

Die Würde des Menschen ist verletzlich, Gott sei Dank. Und unsterblich, das ist sie auch. Sie ist mein Rückgrat. „Was zuviel ist, ist zu viel!“ sagt sie mir. Und ich bestehe darauf, dass sie mir eine Schwester ans Bett schicken, keinen Pfleger. Ich stelle meinen Mann zur Rede, dass ich sein Lügen und Betrügen nicht akzeptiere. Und ich liebe meine Mutter, obwohl sie nie wieder einen Job kriegt, weil sie krank ist. „Denk dran, Du bist wer“, sagt mir meine Würde, und klingt auf einmal wie der liebe Gott persönlich. „Du bist wer, denn ich habe Dich gemacht.“

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