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Wenn ich aus meinem Fenster blicke, kann ich zwischen den Häusern hindurch den bewaldeten Deisterhang sehen. Je nach Wetter liegt er mal im Dunst und mal sind die einzelnen Bäume zu erkennen. Besonders liebe ich es, wenn es aufklart und immer deutlicher die einzelnen Konturen des Waldes hervortreten. Da der Deister nicht sehr weit entfernt liegt, macht es mir Freude auf den gut ausgebauten Wanderwegen dieses norddeutschen Mittelgebirges spazieren zu gehen.

Leider immer seltener an Wintertagen, an denen die Sonne auf den Schneekristallen der Zweige glitzert und der Schnee unter den Füßen knirscht, im Frühjahr immer seltener, wenn die ersten Knospen aufzublühen beginnen, im Sommer immer seltener, wenn die Bäume erfrischenden Schatten bieten und im Herbst immer seltener, wenn das Laub des Mischwaldes die Augen mit ihren zarten Farbspielen erfreut. Doch schon allein das ruhige Innehalten beim Wandern vor einem einzelnen alten, über Jahrzehnte herangewachsenen Baum kann mich dankbar werden lassen für dieses Geschenk des Schöpfers.

Es lässt sich Rainer Marias Rilkes Gedanken zustimmen, wenn er schreibt: „Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht ohne die Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte. Er kommt doch. Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos still und weit.“

Oder über die Jahre zu beobachten, wie eine Neuanpflanzung immer mehr in die Höhe wächst. Doch auch andererseits beobachten zu können, wie in manchen Gebieten viele Bäume nicht nur in den Kronen immer kahler werden. Da drängt sich mir die Frage auf, wie lange noch kann ich die Worte aus Psalms 96 nachempfinden: „Singet dem Herrn ein neues Lied, singet dem Herrn alle Welt! Das Feld sei fröhlich und alles, was darinnen ist: es jauchzen alle Bäume im Walde vor dem Herrn.“

Doch schon damals schließt der Beter die Mahnung an: „Denn er kommt zu richten das Erdreich.“ Was kann ich tun, dass es nicht immer schlimmer um unsere Wälder bestellt sein wird? Rilke rief noch zur Geduld auf: „Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.“

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