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"Fette Kuh!" Die Worte hallten in Wiebkes Kopf, als sie in den Spiegel sah. Die Stimmen aus der Kindheit verstummten einfach nicht. Das ging schon ihr ganzes Leben lang so, obwohl sie mittlerweile 25 Jahre alt war und die Grundschulzeit nun wirklich hinter sich hatte. Sie seufzte, als sie sich ihren Pulli in XXL überzog und die kneifende Jeans schloss. Angezogen konnte sie den Anblick ja halbwegs ertragen, aber sich ohne Kleidung mit Dellen in den Oberschenkeln und Schwangerschaftsstreifen quer über dem Bauch zu sehen, war ihr beinahe unmöglich geworden.

Wiebke war schon immer dick gewesen. Seit sie denken konnte, drehten sich ihre Gedanken ums Essen und um ihr Gewicht. Manchmal war sie wütend: wieso hatten sie ihre Eltern nicht gescheit ernähren können? Dann wäre ihr wenigstens das Gehänsel in der Grundschule erspart geblieben und sie hätte heute vielleicht mehr Selbstwertgefühl. Aber es war nun mal anders gewesen. Neidisch dachte sie daran, dass ihre restliche Familie eine normale Figur hatte - sie selbst war damit nicht gesegnet worden. Sie brauchte ein Stück Kuchen nur anzusehen und schon verteilte es sich in Form von dicken Fettpolstern auf ihren Hüften.

Diäten hatte Wiebke schon viele gemacht. Alles, was es an Büchern über Trennkost, Glyxdiät oder Kalorienzählen gab, stand in ihrem Regal. Begonnen hatte sie damit im Alter von 14. Die meisten Diäten waren erfolgreich verlaufen, doch der berühmte Jojo-Effekt schlug jedes Mal erbarmungslos zu. Irgendwann hatte sie nicht mehr gewusst, was sie überhaupt noch essen sollte. Die eine Diät verteufelte Nudeln. Bei der anderen waren Nudeln ok, aber Kartoffeln tabu. Mal waren gekochte Karotten die Dickmacher, mal waren es Lightprodukte, dann wieder Kohlenhydrate und manchmal durfte man ohnehin nur Kohlsuppe essen.

Wofür war aber die Quälerei gut? War es nicht sinnvoller, einfach auf seinen Körper zu hören und zu essen, was einem schmeckte und was man gut vertrug? Wer mochte denn die Hungerhaken, die einem von den Werbeplakaten zulächelten und die aussahen, als seien sie Monate ohne Nahrung in der Wüste gewesen? War das wirklich erstrebenswert?

40 Jahre in der Wüste ohne Nahrung... Wiebke musste an die Bibel denken. Nein, das konnte es nicht sein! Das war ja eher eine Strafe gewesen und keine Schlankheitskur für übergewichtige Israeliten, die alle Topmodels werden wollten. Und überhaupt: war 40 Jahre lang nur Manna zu essen gesund? Sie wischte die Gedanken beiseite und verließ das Haus Richtung Museum. Seit heute gab es dort eine neue Ausstellung: Die wichtigsten Werke von Rubens.

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