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Als ich in den „Ruhestand“ trat, unkten viele vom „Unruhestand“. Sie sollten bedingt Recht behalten, denn ich bin überzeugt, dass es sich keine Gesellschaft leisten kann, die bei Ruheständlern vorhandenen Kompetenzen und emotionalen, intellektuellen und praktischen Ressourcen über Jahrzehnte brach liegen zu lassen. Früher war das anders. Man wurde in den „Feierabend“ verabschiedet, weil die Kräfte nachgelassen haben. Heute könne viele nach Erreichen der Altersgrenze damit rechnen, dass sie noch zwei bis drei Jahrzehnte leben, nicht selten lange leistungsfähig und bei guter Gesundheit. Eine geschenkte Zeit, die es zu gestalten gilt.

Ich hatte mich auf den Wechsel eingestellt und mir vorgenommen und eine deutliche Zäsur gesetzt. Zusammen mit meiner Frau nahm ich mir bewusst eine „Auszeit“. Wir fuhren einige Wochen durch Norwegen und pilgerten in Etappen nach Santiago de Compostela. Das erleichterte die nötige Neuorientierung. Ich will einerseits Zeit haben für Dinge, die bisher zu kurz kamen, und andererseits in befristeten neuen Projekten Mitverantwortung übernehmen. Das ermöglicht neue Kontakte und ersetzt die zuvor durch den Beruf vermittelte gesellschaftliche Teilhabe.

Ich singe in einem Projektchor und engagiere mich in Projekten, die weiterhin auch gelegentliche „Auszeiten“ ermöglichen. Mit Gleichgesinnten habe ich beispielsweise den Verein „Großeltern stiften Zukunft e.V.“ gegründet. Wir wollten nicht nur für die eigenen Enkel da sein, sondern uns dafür einsetzen, der Generation der Enkel insgesamt zu besseren Startbedingungen ins Leben zu helfen.

Nicht nur die Würde, die Gott den Menschen zugesprochen hat, gilt auch fürs Alter, sondern ebenso die Verantwortung, die er uns übertragen hat. Sie endet nicht mit der Ruhestandsversetzung. Gott schickt nicht in Rente. Der Begriff „Ruhestand“ ist ein Relikt aus der Zeit, wo man aus dem Erwerbsleben ausstieg, weil man nicht mehr konnte. Statt vom „Ruhestand“ spreche ich lieber von der „weitgehend selbstbestimmten Lebensphase“.

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