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Sonntage sind für mich irgendwie aus der Zeit gefallen, sie haben einen anderen Grundrhythmus. Sonntage ordnen sich nicht in den Kalender ein, obwohl sie auch in meinem Jahresplaner alle sieben Tage mit roter Schrift markiert sind. Ich bin in eine Sonntagskultur hineingewachsen, die andere als unfrei empfinden mögen. Der Sonntag war nämlich nicht der Tag, an dem einfach alles wegfiel, was an allen anderen Tagen das Leben bestimmte. Es gab drei klare Regeln, die im Grunde keine Abweichung duldeten. Sonntagspflichten im Hause Bahr, hieß es immer.

Die erste: Gottesdienst muss sein. Ganz gleich, wie spät es am Samstag geworden war. Auch die Teenager zwingen sich mit zerzottelten Haaren und roten Augen aus dem Bett. Oft genug widerwillig und mit nörgelndem Protest, den die Kinder an die Eltern richteten und den ich heute dann und wann an mich selbst richte. Doch damals wie heute gilt, dass der innere Protest verstummt, wenn ich nach dem Gottesdienst wieder über die Schwelle des Kirchenportals nach draußen gehe. Das hat gut getan!

Die zweite Regel: am Sonntag wird nicht gearbeitet. Keine Stippvisite im Büro, keine Hausaufgaben, keine Bügelwäsche. Das habe ich nicht immer durchgehalten. Examenszeiten und all das Achsowichtige, das vermeintlich keinen Aufschub duldet, hat mir meinen Sonntag oft genug verdorben. Er schmeckte mir nicht mehr.

Die dritte Regel hat meine Mutter in den kinder- und gästereichen Haushalt eingeführt: für die Mahlzeiten sorgen alle gemeinsam. Am Sonntag soll niemand alleine in der Küche stehen. So halte ich es auch heute. Der Sonntag war und ist der Tag für große Festessen und Gelage, für geplante Mähler und für spontane Tortenfeiern. Wir haben einen großen Tisch und der soll an diesem Tag der Woche gerne voll besetzt sein. Die Vorbereitungen aber machen alle gemeinsam. Das ist gesellig, stiftet viele lustige Erlebnisse und unversehens ernste Gespräche, ohne dass einer die Arbeit macht, während die anderen sich amüsieren.

Alle drei Regeln zusammen, strikt befolgt, verschaffen mir ein Höchstmaß an Freiheit. Sie sind mir längst in Fleisch und Blut übergegangen. Ich muss sie nicht in Stein meißeln. Aber sie helfen mir aus dem Viervierteltakt der Woche, diesem Marschrhythmus des Getriebenseins heraus und in ein schwebend-tänzerisches Zeitgefühl hinein.

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