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„Die Medizin ist so weit fortgeschritten, dass niemand mehr gesund ist!“ Dieser Ausspruch von Aldous Huxley, dem Verfasser des kulturpessimistischen Klassikers „brave new world“, spiegelt zum einen eine medizinisch-technische Realität, zum anderen ein Zeitgeistphänomen. Die medizinisch-technische Seite besteht in der explosionsartigen Ausweitung der Diagnose-, aber auch der Behandlungsmöglichkeiten. Eigentlich ein Segen und für viele Menschen ein lebensrettendes bzw. lebensverlängerndes Geschenk.

Allerdings: Bei so vielen Möglichkeiten, etwas für seine Gesundheit zu tun, fühlt man sich fast schon wieder krank. Und wer sich nicht krank fühlt, ist allenfalls ungenügend durchdiagnostiziert. Jüngst wurde z.B. ein -natürlich zu therapierendes- „Käfigtigersyndrom“ diagnostiziert, das dann eintritt, wenn Jungmanager Verantwortung für ihre Kinder übernehmen, zu Hause bleiben und dort nicht mehr wissen, wohin mit ihrer unternehmerischen Energie.

Bestseller wie „Die Krankheitserfinder – Wie wir zu Patienten gemacht werden“ von Jörg Blech versuchen aufzudecken, dass die Pharmaindustrie und andere, die das Gesundheitswesen v.a. als Verdienstfeld ansehen, ein Interesse daran haben, dass möglichst viele Menschen krank sind oder sich zumindest krank fühlen. Denn wer krank ist, ist abhängig von den Marktprodukten der Gesundheitsindustrie, deren Geschäft die Krankheit ist. Andererseits bringt das strenge, das werbewirksam positionierte gesellschaftliche Leitbild, gesund, jung, fit und genussfähig zu sein, als Kehrseite der Medaille eine wachsende gesellschaftliche Stigmatisierung, eine Ächtung von Kranksein und Krankheit mit sich.

Wenn dann allenthalben noch der Slogan „Hauptsache Gesundheit“ bzw. „Gesundheit ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Gesundheit“ ausgegeben wird, wenn Gesundheit damit (fast) zum höchsten Gut wird, dann erfährt sie geradezu religiöse Verehrung. Welchen Stellenwert hat dann noch Krankheit? Macht sie Menschen zu „Nichtsen“? Für das „höchste Gut Gesundheit“ müssten wir alles einsetzen! Andere Güter wie Frieden, globale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, müssten wir demgegenüber eher hintanstellen. Wird es künftig ein Höchstmaß an Gesundheit nur für die geben, die es sich leisten können?

Aus christlicher Sicht hat Gesundheit aber nicht den Stellenwert eines höchsten Gutes. Keine noch so ausgefeilte Religion der Gesundheit wird uns auf Dauer über die für jeden von uns unausweichliche Realität von Verfall, Alter und Tod hinwegtäuschen können. Aus christlicher Sicht gilt die Zusage von Gottes Liebe, die stärker ist als Krankheit und Tod, in gleicher Weise für Gesunde wie für Kranke.

Für manche Menschen wird eine schwere Krankheit sogar zum Schlüssel für persönliche Tiefe und individuelle Weisheit. Gesundheit ist in dieser Sicht die Kraft, auch mit Störungen des physischen und psychischen Befindens unseren wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen und in Würde zu leben. Damit soll Krankheit natürlich nicht zur Tugend erklärt werden. Es gilt weiterhin, Krankheiten zu heilen, vor allem, wenn sie uns in das „Land jenseits der Grenze“ individuell möglicher Anpassung führen.

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